J. Lewis-Stempel – Im Wald

Buchbesprechung

John Lewis-Stempel
Im Wald – Mein Jahr im Cockshutt Wood

Verlag Dumont, Köln 2020, 282 Seiten, € 22.–

Bei dem Stichwort „Wald“ denkt man kaum an England, vielleicht nur an den Sherwood Forest mit Robin Hood. Dies ist auch kaum verwunderlich, da die Landesfläche von Großbritannien nur mit knapp 13 % Wald bestockt ist.

Ein kurzer Hinweis in einer Zeitschrift auf dieses Buch des englischen Autors John Lewis-Stempel hat mich neugierig gemacht, ich habe mir das Buch gekauft und es keinen Moment bereut.

John Lewis-Stempel ist Landwirt  und Schriftsteller (oder umgekehrt) und  bewirtschaftet einen 16 ha- Hof im ländlichen Herefordshire im Westen Englands, kurz vor der Grenze zu Wales. Er pachtet den Cockshutt Wood mit 1,5 ha, um ihn zu bewirtschaften.

Hier fängt nun der gravierende Unterschied zur aktuellen deutschen Forstwirtschaft an. Der Autor definiert Waldwirtschaft nicht als Holzwirtschaft, sondern als Teil der Landwirtschaft, wie es bei uns vor vielen Jahren auch war. Heutigen Forstleuten werden vermutlich die Haare zu Berg stehen, wenn sie lesen, wie er Schweine, Rinder, Schafe ganz bewußt in den Wald treibt, um das wuchernde Brombeergestrüpp klein zu halten und so Teile der Waldvegetation als Futter zu nutzen.  Holz ist für den Eigenbedarf da, aber auch Pilze, Beeren, Kaninchen, Grauhörnchen, Waldschnepfen etc. für das Essen. So finden sich im Buch Rezepte für Kastanienpüree, Wildapfelgelee, Eichelkaffee, Holunderblütensekt, Bärlauch-Dolmades,u.a.

John Lewis-Stempel ist ein hervorragender  Beobachter, hat ein sehr großes Wissen um Pflanzen und Tiere und beschreibt den Wald mit seinen Bewohnern bis in feinste Einzelheiten. Das Buch ist das Tagebuch seines letzten Jahres im Cockshutt Wood und man kann mit ihm die spannenden Entwicklungen im Jahresverlauf erleben.

Hier kommt nun eine weitere Besonderheit des Buches. Der Autor ist ein Poet und man muss oft seine Worte, Sätze, Gedankenverbindungen zweimal lesen, um sie richtig zu würdigen.  Sätze wie „Eintagsfliegen fallen auf den Teich und sterben wie tragische Ballerinas“ oder „Bei meinem Spaziergang störe ich das Teichhuhn auf, das fußbaumelnd flach davonfliegt und Narben auf der Wasserfläche hinterläßt.“ Solche poetischen Umschreibungen finden sich auf fast jeder Seite und erhöhen das Lesevergnügen. Auch kennt sich der Autor sehr gut in der englischen Geschichte und der ,auch antiken, Literatur aus und so gibt es viele Zitate und Hinweise für eigenes Lesen.

Man muss sich auf das Buch vorurteillos einlassen und nicht bei jedem Handeln oder bei jedem ungewöhnlichen Satz denken, da stimmt was nicht. John Lewis-Stempel schreibt mit dem feinen, typisch englischen Humor und viel Selbstironie, die, wenn man dies mag, das Buch für mich so interessant, schön und lesenswert machen. Ich habe es in einem Sitz, allerdings mit vielen Pausen zum Nachdenken, gelesen und werde es immer wieder zur Hand nehmen.

Jürgen Rosemund


Wolf Hockenjos – Tannenbäume

Buchbesprechung

Wolf Hockenjos
Tannenbäume
Eine Zukunft für Abies alba

DRW-Verlag Leinfelden-Echterdingen 2008, 232 Seiten, viele Fotos, € 29.90

Wenn der Name Hockenjos fällt, wissen Insider: Es geht um die „Weißen Tannen“ im „Schwarzen Wald“. Bereits der Vater Fritz Hockenjos hat als Leiter des Forstamtes St. Märgen im Südschwarzwald viel für die Weißtanne Abies alba getan und den Sohn mitgenommen zum „Tännle schützen“. Die jungen Tännchen wurden gegen Verbiss nicht mit Chemie, sondern althergebracht mit Schafwolle geschützt. Ein Bollen Schafwolle war immer in der Tasche.
So nimmt es nicht Wunder, wenn der Sohn Wolf in die Fußstapfen des Vaters Fritz stieg und als Leiter Forstamtes Villingen 25 Jahre lang die Weißtanne förderte.

Wolf Hockenjos ist ein in Schrift und Wort engagierter Förderer der Weißtanne, nicht nur im Schwarzwald, den Hauptverbreitungsgebiet von Abies alba in Deutschland.

Sein Buch „Tannenbäume“ ist ein her vorragendes Beispiel für sein Engagement und seine Fachkenntnis. Es ist weniger ein wissenschaftliches Fachbuch, sondern die Geschichte einer besonderen Baumart, an der sich sowohl die Waldgeschichte der letzten 200 Jahre als auch der gesellschaftliche Wandel ablesen lässt.

Ein detailliertes Eingehen auf die einzelnen Inhalte des Buches würde die Besprechung sprengen, aber ein Zitat der Hildegard von Bingen sei erlaubt:
„Die Tanne ist mehr warm als kalt und hat viele Kräfte in sich. Denn an welchem Ort auch immer Tannenholz ist, hassen und meiden es die Luftgeister mehr als andere Orte, und schlechter Zauber und Magie haben dort weniger Kraft.“

Diese Ansicht der Hildegard stimmt offensichtlich, wird doch das Tannenholz des Glockenstuhls vom Freiburger Münster seit über 700 Jahren gegen die „Luftgeister“ geschützt. Heute sind die „Luftgeister“ durchaus real, bewirken sie doch einen Klimawandel und so langsam besinnt man sich wieder auf die Vorzüge der Weißtanne.

Wolf Hockenjos hat den Untertitel „Eine Zukunft für Abies alba“ weder mit einem Frage- noch mit einem Ausrufezeichen versehen. Aber auf der „Weißtannentagung“ der A NW Brandenburg im April 2017 konnte man seinem fulminanten Vortrag entnehmen, dass er die Zukunft von Abies alba durchaus positiv sieht, sogar im Kiefernland Brandenburg.

Wolf Hockenjos schreibt sehr flüssig und spannend, oft liest sich das Buch wie ein Kriminalroman, was es teilweise sogar ist. Auch die vielen hervorragenden Waldbilder, vom Fichtenstangenholz bis zum Bannwald Zweribach lassen immer wieder staunen.

Wer sich für den Wald und insbesondere für die „Tanne“ schlechthin, eben Abies alba, interessiert, kann ich das Buch wärmstens ans Herz legen.

Jürgen Rosemund

Bruno Hespeler – Jägerhandwerk

Buchbesprechung

Bruno Hespeler
Jägerhandwerk

Österreichischer Jagd- und Fischereiverlag, Wien 2015
309 Seiten, viele Bilder, € 39.—

Die Ausbildung der Jäger hat sich in den letzten Jahren radikal geändert. Viele Jäger legen nach einem zweiwöchigen Crashkurs die Jägerprüfung ab. In dieser kurzen Zeit kann es natürlich nur um die Vermittlung von theoretischem Wissen, abgesehen von der Schiessausbildung, gehen. Zeit für eigene Erfahrungen im Revier bleibt da kaum. Das praktische Jägerhandwerk bleibt so zunächst zwangsläufig auf der Strecke.

Mit seinem Buch „Jägerhandwerk“ will nun Bruno Hespeler versuchen, diese Lücke zu füllen bzw. Anregungen für die Praxis zu geben, auch wenn er deutlich macht, dass eigene Erfahrungen im Revier unverzichtbar sind.
Bruno Hespeler war Berufsjäger, Revierleiter und ist nun Autor und Journalist. Aus seiner Feder stammen viele Bücher für die Jagdpraxis, er weis also wovon er schreibt.

Eine Besonderheit des Buches ist die ständige Frage nach dem Verhalten des Wildes in Beziehung zum Jäger. Ein zentraler Satz aus dem Buch: „Nur wer das Verhalten des Wildes bewusst wahrnimmt, wird als Jäger erfolgreich sein.“

Hespeler geht ganz praktisch auf alle Aspekte des jagdlichen Handelns ein, so lauten die Überschriften der Abschnitte: „Von Hoch- und Tiefsitzen“, „Das Verhalten des Wildes“, „Von Technik, die uns auseinander bringt“ (er meint hier nicht die Jäger sondern Jäger und Wild), „Was wir „Hege“ nennen..“,Die Wildverwertung“, „Ein jagdlicher Jahreslauf“.

Durch das ganze Buch zieht sich die Meinung, dass man Jagd nicht aus Büchern lernt, sondern nur im Revier erlernt und so ermuntert er den Leser im Revier die Augen auf zu machen und dabei eigenes Wissen immer wieder zu hinterfragen.

Das Buch steckt voller Erfahrungen und Hinweise für die Praxis des richtigen Jagdhandwerks. Nicht nur Jungjäger, sondern auch viele „alte Hasen“ werden neue Informationen erhalten, die manches bisher Geglaubte in Frage stellt.

Das Buch ist mit € 39.— nicht ganz billig, aber der Inhalt lohnt jeden Euro und auch die Aufmachung des Buches ist erstklassig.
Dass Bruno Hespeler die deutsche Sprache virtuos handhabt, muss wohl nicht extra betont werden, er hat dies in vielen Büchern und unzähligen Berichten in den verschiedensten Medien bewiesen. Er ist auch ein ausgezeichneter Vortragsredner und Exkursionsführer.

Jürgen Rosemund

Lars Mütting – Der Mann und das Holz

Buchbesprechung

Lars Mytting
Der Mann und das Holz
-Vom Fällen, Hacken und Feuermachen

Insel-Verlag Berlin 2014, 222 Seiten, viele Bilder und Zeichnungen, € 18.—

Das Buch war für mich eine Zeitmaschine und hat mich 50, 60 Jahre zurück in meine Jugend versetzt.
Fast alles was in diesem Buch steht, haben wir damals gewusst und gemacht, auch ohne Physik-Studium. Es handelt vom Holz als Energiequelle. Lars Mytting ist Norweger und in seiner Heimat, insbesondere in den ländlichen Gebieten, ist heizen und kochen mit Holz noch weit verbreitet, also eine normale Energiequelle.
Das Buch beschreibt den Weg vom Wald, z.B. wie viel Fläche mit welchen Bäumen für eine Familie als Heizung ausreicht, wann und wie das Holz gefällt, getrocknet und gestapelt wird. Gerade die Kunst des Holzstapels nimmt einen breiten Raum des Buches ein. Der Unterschied zwischen feuchtem und trockenem Holz, zwischen den verschiedenen Baumarten wird deutlich. Es gibt viele gute Tipps zum richtigen Feuer, um Holz möglichst effizient zu verbrennen, ebenso Tipps für den richtigen Ofen oder Küchenherd.

Bei der Lektüre dachte ich oft, dies mag ja für Norwegen aktuell sein, aber bei uns ist wohl nur noch Nostalgie. Dann habe ich aber mal im Internet nach Holzöfen und Küchenherden gesucht und eine unübersehbare Anzahlt der verschiedensten Typen gefunden. Bei einem derartig breiten Angebot muss es auch viele Käufer geben, die offenbar auch hier wieder das Holz als Heizmaterial entdecken. Ist dies nun Nostalgie oder Klimaschutz?

Leider richtet sich der Titel des Buches nur an Männer. Frauen kommen im Buch auch wenig vor, obwohl doch das Thema „kochen“ und „heizen“ auch viele Frauen interessieren wird.
Lars Mytting schreibt locker, interessant und informativ, es ist so richtig ein Buch für kalte Winterabende.

Jürgen Rosemund

Helen Müri – Die kleine Wildnis

Buchbesprechung

Helen Müri
Die kleine Wildnis

Haupt-Verlag, Bern 2015, 225 Seiten, viele Bilder, Zeichnungen, Grafiken, € 36.–

Dies ist ein Jagdbuch der besonderen Art, es spielt sozusagen im Erdgeschoss des Reviers. Der Untertitel lautet „Einblicke in die Lebensgemeinschaft der kleinen Raubsäuger und ihrer Beutetiere in Mitteleuropa“. Die Jäger sind also Hermelin und co. und die Beute Mäuse und co. All dies geschieht in der Regel unterhalb unserer Wahrnehmungsebene. Wir sehen wohl einmal einen Marder, ein Hermelin, Mäuse, Amphibien, Vögel usw, aber das Beziehungsgeflecht der Akteure können wir nicht erkennen.

Dieses Beziehungsgeflecht hat die Autorin in den Mittelpunkt ihres Buches gestellt und da die einzelnen Akteure uns durchaus bekannt sind und sich alles vor unserer Haustür abspielt, ist es wirklich spannend zu lesen.

Das Buch beginnt mit den Worten: Wildnis pur – das gibt es direkt vor unserer Haustür.“
Diese Aussage wird dann im Buch mit immer neuen, auch überraschenden Fakten untermauert. Dabei stellt die Autorin auch manches anders dar. So ersetzt sie z.B. die bekannte Nahrungspyramide vom Bodenlebewesen zum Raubsäuger durch ein Beziehungsgeflecht, wo man gut erkennen kann, dass der Fuchs eben nicht nur Mäuse, sondern auch Wirbellose und Früchte frißt.

Die Lebensgemeinschaften und ihre Vernetzungen ist das Hauptanliegen der Autorin und diese schildert sie sehr spannend und informativ, manche liest sich wie ein Krimi. Dabei stellt sie auch kritische Fragen, wie z.b.B zur bisherigen Naturschutzpraxis dem Schutz einzelner Arten und Biotope. Sie wirbt für eine Gesamtsicht der Lebensgemeinschaften und zieht manchen anderen Schluss, z.B. statt Schutz eine andere Nutzung.

In Ihrem Buch schildert die Autorin anschaulich, wie die Veränderung einzelner Arten, z.B. Zu- oder Abnahme, Auswirkungen auf das gesamte Beziehungsgeflecht hat, die oft unvorhersehbar sind. Hier schreibt sie auch über die Rolle des Menschen in der Lebensgemeinschaft, der wir angehören, ob wir wollen oder nicht. Wenn sie über Rückkoppelungen schreibt, klingt auch leise die Frage an, welche Rückkoppelungen menschliche Aktivitäten auf uns Menschen haben oder haben werden.

Ich habe den Anfangssatz des Buches zitiert und will nun auch den letzten Satz zitieren:
„Da müssen wir uns wohl ganz grundsätzlich mit der Frage befassen, in wie weit der Mensch als Mitglied der Lebensgemeinschaft gleichen Basisgesetzen unterworfen ist wie die Tiere oder ob in gewissen Fällen die kulturellen Errungenschaften des Menschen solche Gesetze ausser Kraft setzen können“.

Das Buch ist in meinen Augen viel mehr, als ein Fachbuch über Raubsäuger, sondern ein Ansporn die Augen für die kleinen und die komplexen Dinge des natürlichen Lebens zu öffnen. Ausserdem enthält es viele tolle Bilder von den kleinen, oft wenig sichtbaren Tieren. Ich kann es wirklich sehr empfehlen.

Jürgen Rosemund